Aktuelle Fragen an Dr. Jens Meier
Geschäftsführer Dr. Jens Meier im Interview
Wie geht es den Stadtwerken angesichts der vielen Krisen in der Welt?
Die vergangenen zwei Jahre waren in der Tat von zahlreichen Krisen wie der Pandemie und der Energiekrise gezeichnet. Wir sind trotz der großen Herausforderungen ganz gut durch das vergangene Jahr gekommen und werden ein sehr gutes Wirtschaftsergebnis erzielen. Das benötigen wir aber auch zwingend, weil große Investitionen anstehen. Zudem haben wir unser Konzernprogramm umgesetzt und firmieren unter dem Dach der Stadtwerke Lübeck.

Können Sie das Ergebnis für 2022 schon beziffern?
Derzeit noch nicht, da der Jahresabschluss zunächst dem Gesellschafter und dem Aufsichtsrat vorgelegt wird. Im Juni können wir das Jahresergebnis dann konkret benennen. Wir gehen aber bereits heute davon aus, dass wir mehr Gewinn bei den Stadtwerken erzielt haben, als wir an Defizit im Bereich Verkehr ausgleichen müssen.
Steigen die Defizite beim Stadtverkehr wieder deutlich an, weil die teuerste Preisstufe weggefallen ist und der Zehn-Minutentakt zurückkehrt?
Wir liegen bei Stadtwerke Lübeck Mobil, wie der Stadtverkehr jetzt heißt, bei etwa 16 Mio. € Defizit. Wir sehen aber auch, dass die Umstellung des Fuhrparks auf Elektrobusse und der Zehn-Minutentakt neue Investitionen auslösen. Grundsätzlich werden die Preisstufenabsenkung als auch die bereits geplanten Angebotsausweitungen über die Hansestadt Lübeck ausgeglichen. Wir werden alles tun, um die Kosten im Zaum zu halten. Aber das ist eine ambitionierte Aufgabe.
Die Gas- und Strompreisbremsen des Bundes greifen seit 1. März. Haben Sie schon alle Kunden angeschrieben und darüber informiert?
Alle von den Preisbremsen betroffene Kund:innen sind bereits informiert. Allein bei Gas sind das um die 60 000 Schreiben. Die Preisbremsen sind für unsere Branche eine enorme Herausforderung. Weil sie in sehr kurzer Frist umgesetzt werden mussten. Wir arbeiten mit Hochdruck daran. Innerhalb von zwei bis drei Monaten mussten wir unsere IT komplett umbauen, um die Mechanismen der Preisbremsen einzuarbeiten.
Gibt es Berechnungen, wie viel Geld die Kunden sparen oder sogar zurückerstattet bekommen?
Wir liegen mit unseren Preisen für Gas und Strom nicht weit weg von den Bremsen. Unsere Gaspreise liegen in den meisten Tarifen leicht über den zwölf Cent pro Kilowattstunde, unsere Strompreise wiederum liegen unter den 40 Cent pro Kilowattstunde. Viele Kunden sind daher nicht von den Preisbremsen betroffen. Wenn die Kunden ihre Verbräuche kräftig reduzieren, kann eine erhebliche Ersparnis dabei herauskommen. Das kann bei Einfamilienhäusern durchaus einen dreistelligen Betrag ausmachen. Bei der Endabrechnung werden wir eins zu eins die Logik der Preisbremsen anwenden. Aufgrund der gestiegenen Energiekosten wird die Preisbremse aber nicht immer eine Entlastung im Sinne einer Rückerstattung oder Reduzierung sein. Wir haben unter FAQ Beispielrechnungen für Kundi:nnen auf unserer Homepage veröffentlicht.
Entscheidend ist das Einsparen von Energie. Haben die Lübecker das gemacht?
Unsere Industriekunden haben den Energieverbrauch um 25 bis 30 Prozent verringert. Viele Unternehmen nehmen die Situation aber auch zum Anlass um mit uns über alternative Versorgungssysteme zu sprechen und die Versorgung umzustellen. Bei den Privatkunden war die Energieeinsparung nicht ganz so hoch wie bei der Industrie.
Woher beziehen Sie Gas und Strom?
Wir erzeugen Strom zu einem erheblichen Teil selbst – über Solar- und Photovoltaikanlagen sowie über Windkraftanlagen. Unser Ziel ist, unseren Stromabsatz vollständig aus erneuerbaren Energien zu bestreiten. Aktuell liegen wir etwas über 50 Prozent. Seit vergangenem Jahr beziehen wir bereits kein Gas mehr von Lieferanten, die in Russland tätig sind. Wir beziehen über Großhändler, die wiederum vor allem Gas aus Skandinavien einkaufen.
Im Herbst drohte eine Gasmangellage. Wie schätzen Sie die Situation heute ein?
Politik, Energieunternehmen, Privatleute und Industrie haben sehr gut zusammengearbeitet. Die Speicher sind überproportional gut gefüllt. Ob das aber so bleibt, werden wir erst im nächsten Herbst wissen. Für uns ist aber noch wichtiger, dass die Energiewende in den vergangenen Monaten weiter beschleunigt wurde.
Wovon hängt die Lösung in den Stadtteilen ab?
In der Altstadt haben wir eine andere Bebauung als im Süden Lübecks. Wo liegen schon Wärmenetze? Wo kann ich Abwärme von Industrieanlagen nutzen? Wo ist Geothermie möglich? Eine grobe Strategie liegt vor. Mit der Klimaleitstelle gehen wir jetzt in die Feinplanung.
Wie lange dauert und wie viel kostet diese Wärmewende in Lübeck?
Es ist ein Generationsprojekt, das zwischen zehn und 30 Jahren in Anspruch nehmen wird. Wir werden mehrere Milliarden Euro für den Umbau der Wärmeversorgung, die Mobilitätswende und den Ausbau der Stromleitungen in die Hand nehmen müssen. Politik und Verwaltung müssen Vorfahrt für dieses Thema einräumen, müssen Flächen bereitstellen, Verfahren beschleunigen und Geld investieren.
Bei Neubauten werden regenerative Energien vorgeschrieben. Was passiert mit den über 100 000 Wohnungen in Lübeck, die es bereits gibt?
Wohnungen, die in der Nähe unserer bestehenden oder zukünftigen Fernwärmenetze liegen, können wir daran anschließen. Hausbesitzer sollten mit dem Austausch von Heizungen möglichst warten, bis wir mit unseren Netzen kommen. Wohnungen, die zu weit von unseren Netzen entfernt liegen, können mit Wärmepumpen arbeiten. Die funktionieren aber nicht in allen Gebäuden. Wir gehen dann alle Instrumente durch, die wir im Köcher haben – Quartierslösungen, Geothermie, kalte Nahwärmenetze. Wenn wir mit der kommunalen Wärmeplanung durch sind, soll es ein Schema für die komplette Stadt geben – Straße für Straße, Wohnung für Wohnung.
Die Stadtwerke investieren 80 Millionen Euro in den Glasfaserausbau. Bornkamp, Hochschulstadtteil, St. Lorenz Süd und Marli-Brandenbaum sind angeschlossen oder in Arbeit. Können Sie sagen, welche Stadtteile als nächstes drankommen?
Im Moment beginnen wir in Travemünde. Da war gerade eine große Informationsveranstaltung. Die Vorvermarktung läuft, der Spatenstich steht bald an. Unser Ziel ist es, den Glasfaserausbau verstärkt voranzutreiben und auch Gebiete und Straßen zu berücksichtigen, die für manch ein Wettbewerber weniger attraktiv erscheinen.