
Unser Platz? Immer vorn!
Einmal hoch oben und ganz vorne sitzen, das Lenkrad fest in den Händen und Herr:in der Straße sein: Marua Shalha (21) und Calvin Bulgrin (27) haben sich den Kindheitstraum erfüllt, sie sind Busfahrer:in.
„Mach dich dick, mach dich breit, zeig dich!“ Dieser anschauliche Ratschlag erfahrener Ausbilder:innen an zukünftige Busfahrer:innen leuchtet sofort ein. Sie müssen selbstbewusst ihren Platz im Straßenverkehr behaupten, etwa mit dem Solobus, 12 Meter lang und 2,55 Meter breit, oder dem noch mal fast 7 Meter längeren Gelenkbus.
WEIBLICH, JUNG, SELBSTBEWUSST
Obwohl sie erst seit einem Jahr am Steuer sitzt, gegen Kritik an ihrer Fahrweise zeigt sich Marua Shalha schon ziemlich abgehärtet: „Ich habe gelernt, damit umzugehen. Man kann es nicht allen recht machen, und ich halte mich an das, was mir in der Ausbildung vermittelt wurde.“ Selbstbewusstsein – davon kann sie als junge Frau in einem noch von Männern dominierten Job nicht genug haben. Zwar interessieren sich immer mehr Frauen für den Beruf, doch mit einem Anteil von insgesamt 14,6 Prozent sind sie bei der Stadtverkehr Lübeck GmbH (SL) und der Lübeck Travemünder Verkehrsgesellschaft (LVG) deutlich in der Minderzahl. Marua Shalha orientierte sich bei ihrer Berufswahl am Vorbild ihrer älteren Schwester, die 2019 eine dreijährige duale Ausbildung zur Fachkraft im Fahrbetrieb begonnen hatte und begeistert von ihren Erfahrungen berichtete. Heute tauschen sich die Schwestern mit dem gleichen Beruf nach Feierabend nicht nur über das Erlebte aus, sondern teilen sich auch den Kleiderschrank mit der Berufsuniform. Unterstützung erfährt Marua Shalha auch von ihren Kolleg:innen: „Es gibt eine große Solidarität untereinander, wir verstehen uns alle super, unabhängig von Alter und Geschlecht.“ Liebevoll, aber durchaus mit Respekt, wird die 1,64 Meter große junge Frau gerne mal als „unser Hüpferchen“ bezeichnet. Und ihre Erfahrungen mit Belästigungen? „Es kommt schon mal vor, dass jemand flirtet oder direkt nach meiner Handynummer fragt, anzüglich oder auch aggressiv wird. Dann versuche ich mit Fingerspitzengefühl und professioneller Distanz, die Situation nicht eskalieren zu lassen. In letzter Instanz erfolgt ein Anruf in der Leitstelle oder ein Busverweis – schließlich bin ich nicht nur für mich, sondern auch für meine Fahrgäste verantwortlich.“
ENTERTAINER AM STEUER
Auch Calvin Bulgrin (27) eifert einem Vorbild nach: Sein Vater fährt seit mehr als 20 Jahren Bus beim Stadtverkehr Lübeck. Er selbst stieg 2018 nach einer viermonatigen Ausbildung als Fahrer ein. Grundvoraussetzungen neben einem ausgeprägten Verantwortungsbewusstsein, Interesse an Technik und Bereitschaft zum Schichtdienst sind: Führerschein Klasse D erwerben, Betriebsabläufe kennenlernen, Liniennetz studieren, Prüfung vor der Industrie und Handelskammer ablegen. Auch Spaß am Umgang mit Menschen, ein freundliches Auftreten und gute Kommunikationsfähigkeit sollten angehende Busfahrer:innen mitbringen. Hier kann Calvin Bulgrin voll überzeugen, blickt er doch bereits auf Erfahrungen im „Showbiz“ zurück. 2021 nahm er an der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ teil, schied zwar in der ersten Runde aus, blieb aber seiner Leidenschaft für die Musik treu. Für seinen Song „California Diva“ konnte er sogar einen Vertrag mit Sony abschließen. Inzwischen sieht sich Calvin Bulgrin, außerhalb des Busses meist mit Käppi und Sonnenbrille unterwegs, mehr als Entertainer als als Sänger. Schlechte und gute Nachrichten für die Fahrgäste des Stadtverkehrs: keine Gesangseinlage im Bus, dafür sicheres Fahren bei guter Unterhaltung!